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Arbeitsgespräche zur Vortragsreihe "Reflexion und Intervention"

Diese Reihe von Arbeitsgesprächen, bestehend aus 6 kleinen Workshops, fand zwischen Dezember 2009 und Juni 2010 statt.

Die ReferentInnen der Arbeitsgespräche sprachen auch in der Vortragsreihe "Reflexion und Intervention. Die Sozialwissenschaften und die aktuellen Probleme der Erwerbsarbeit".

Ort: Räumlichkeiten von Production of Work, Maria Theresienstraße 9/4, 1090 Wien

Zeit:
jeweils 10:00 bis 13:00 Uhr

 

Programm:

 

Gisèle Sapiro

Die Organisation intellektueller Berufe (L’organisation des professions intellectuelles.)

03.06.2010

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Gisèle Sapiro ist Soziologin in Paris, Forscherin am CNRS und leitet das Centre européen de sociologie et de science politique (Paris) an der EHESS.

ABSTRACT:
Die intellektuellen Berufe haben sich historisch gegen Handarbeit und Geschäftstätigkeiten definiert. Die intellektuelle und moralische (Verantwortung) Dimension intellektueller Arbeit begründete dabei deren Autonomieanspruch. Die Bedingungen, unter denen diese Berufe ausgeübt werden, variieren jedoch stark nach Art der Verfassung, die mit ihnen jeweils verbunden ist: Selbstständigkeit, Staatsdienst oder Angestelltenverhältnis. Diese Verfassung bestimmt teilweise die Organisationsformen – Vereine, Berufsstände, Gewerkschaften –, ohne dass bestimmte Organisationsformen mechanisch bestimmten Verfassungsarten zugeordnet werden können. Unterschiede in der Verfassung (manchmal innerhalb ein und desselben Berufs) konnten Bemühungen behindern, diese Berufe zu vereinheitlichen.
In ihrem Impulsreferat wird Gisèle Sapiro dies am Beispiel des Verbands intellektueller Arbeiter (Confédération des travailleurs intellectuels – CTI) diskutieren. Der CTI, der kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gegründet wurde, diente ähnlichen Organisationen in Europa als Modell. Seine Gründung war in eine allgemeinere Debatte über den Begriff der „intellektuellen Klasse“ eingebettet, die im Referat ausführlicher analysiert werden wird.

 

Isabelle Coutant

Die Betreuung von „Verhaltensstörungen“ in der Jugend (La prise en charge des « troubles des conduites » à l’adolescence.)

20.05.2010

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Isabelle Coutant ist Soziologin in Paris. Sie unterrichtet an der École Normale Supérieure (Paris) und ist Forscherin beim CNRS am l’IRIS (Institut der recherche interdisciplinaire sur les enjeux sociaux, Sciences sociales, politique, santé) – EHESS.

ABSTRACT:
In ihrem Impulsreferat wird Isabelle Coutant Fragen aus ihrer aktuelle Forschungsarbeit diskutieren, in der sie sich mit Entstehung, Einsätzen und Auswirkungen der gegenwärtigen „Sozialisierung der Psychologie“ in Frankreich (der Einbindung der Psychologie in die Verwaltung „sozialer Probleme“) beschäftigt – sowohl von Seiten der PsychologInnen und PädagogInnen als auch von Seiten der behandelten Jugendlichen. Psychologische und pädagogische Einrichtungen in den Pariser Vororten sind gegenwärtig vor das Problem gestellt, mit „neuen Pathologien“ Jugendlicher aus popularen Milieus umzugehen. Die üblichen Maßnahmen, Behandlungen und Krankheits-Kategorien scheinen nicht mehr zu greifen. Dabei ist den ExpertInnen nicht klar, um welche „Pathologien“ es sich handelt (Neurosen? Psychosen? …), teils sogar, ob es überhaupt um psychische Leiden oder nicht vielmehr um soziales Elend geht. Debatten um die Pathologisierung des Verhaltens Jugendlicher aus den popularen Klassen sind in Frankreich nicht neu. Sie haben zumindest schon am Ende des 19. Jahrhunderts begonnen, als auch (und zuletzt) die Kinder aus den untersten Fraktionen der popularen Klassen verwaltungspraktisch von der allgemeinen Schulpflicht erfasst wurden. Wie hängen die gegenwärtigen „neuen Pathologien“ mit dieser Geschichte von Pathologisierungen zusammen? Isabelle Coutant wird dieser Frage ausgehend von Material nachgehen, das sie 2006/07 bei ethnographischen Erhebungen in einer psychiatrischen Einrichtung in einem Pariser Vorort gesammelt hat.

 

Gérard Noiriel

Einführung in die Sozio-Historie (Introduction à la Socio-Histoire)

16.04.2010

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Gérard Noiriel ist Historiker in Paris und seit 1994 Directeur d’études am l’IRIS (Institut der recherche interdisciplinaire sur les enjeux sociaux, Sciences sociales, politique, santé) – EHESS. Er ist Mitherausgeber der Reihe « Socio-histoires » bei Belin und Mitgründer der Zeitschriften « Genèses » und « Histoire et Sociétés ». Er bekleidet eine Vielzahl von Funktionen in internationalen Fachzeitschriften und Kommissionen unterschiedlicher Universitäten. Als Intellektueller engagiert er sich – praktisch wie mit Publikationen - in der politischen Öffentlichkeit Frankreichs zu Problemen der Einwanderungspolitik.

ABSTRACT:
In seinem Impulsreferat wird Gérard Noiriel die Sozio-Historie vorstellen: eine Forschungsrichtung, die in Frankreich ab dem Ende der 1980er Jahre von einer  Gruppe von HistorikerInnen, SoziologInnen und PolitikwissenschafterInnen  entwickelt worden ist. Gérard Noiriel selbst hat dazu mit seinen Arbeiten wesentlich beigetragen. Die Sozio-Historie ist ein Forschungsfeld, in dem sich Geschichtswissenschaft und Soziologie überschneiden. Sie zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie die Gründungsprinzipien dieser beiden Wissenschaften, so wie sie im 19. Jahrhundert festgelegt wurden, in einem einzigen Forschungszugang vereint. Wie der Geschichtswissenschaft geht es der Sozio-Historie um die Konstruktion der Genese von sozialen und kulturellen Phänomenen – also um die Darstellung von deren Geschichtlichkeit. Wie die Soziologie bemüht sich die Sozio-Historie, die Relationalität historischer Phänomene erkennbar zu machen – also diese als Zusammenhänge von sozialen Beziehungen darzustellen, besonders von Beziehungen auf Distanz, die über unmittelbare Interaktionen hinausreichen. Den geschichtswissenschaftlichen und soziologischen Forschungstraditionen ist somit die Kritik an jeder Verdinglichung von historischen/sozialen/kulturellen Phänomenen gemeinsam. Die Sozio-Historie nutzt diese epistemologische Gemeinsamkeit, um eigenständige Forschungsprogramme zu entwickeln, welche die disziplinären Trennungen von Geschichtswissenschaft und Soziologie hinter sich lassen.
In seinem Referat wird Gérard Noiriel zunächst über die Entwicklung der Sozio-Historie sprechen, danach deren epistemologische Einsätze diskutieren, um zuletzt einen Überblick über aktuelle Forschungen in ihrem Rahmen zu geben.

Gérard Noiriel forscht über die Sozio-Historie des französischen Nationalstaates und über die Geschichte der Einwanderung und der Arbeiterklasse. Ebenso arbeitet er über die Beziehung zwischen Sozialwissenschaften und kulturellen Praktiken sowie über epistemologische Fragen der Geschichts- und Sozialwissenschaften.

Unter seinen neuesten Publikationen finden sich:
•2006: Introduction à la socio-histoire, Paris, La Découverte, 121 p.
•2007: Immigration, antisémitisme et racisme (XIXe-XXe siècle). Discours publics, humiliations privées, Paris, Fayard, 717 p.


 
Delphine Serre

Wie und zu welchem Zweck lassen sich Arbeitssoziologie und die Soziologie Pierre Bourdieus verbinden? (Comment et pourquoi articuler la sociologie du travail et la sociologie de Pierre Bourdieu?)

19. März 2010

Delphine Serre ist Soziologin in Paris. Sie arbeitet als Forscherin am CSE/EHESS (Centre de Sociologie Européenne / Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales) und lehrt an der Universität Paris I - Panthéon Sorbonne.

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ABSTRACT:
Arbeit ist ein wesentliches Thema der ersten Forschungen von Pierre Bourdieu (etwa „Travail et travailleurs en Algérie“, 1963). Dennoch neigt die „klassische“ Arbeitssoziologie dazu, den Beitrag der bourdieuschen Soziologie zur Erforschung von Arbeit zu ignorieren. Gestützt auf rezente empirische Erhebungen wird sich Delphine Serre mit der Frage beschäftigen, wie eine Verbindung dieser beiden Soziologien aussehen könnte.

Der Impulsvortrag wird zwei Punkte behandeln.
1 – Wie können Konzepte und Werkzeuge der bourdieuschen Soziologie (Laufbahn, Raum der Stellungen usw.) verwendet werden, um zu verstehen, wie ArbeiterInnen ihre Arbeit tun und wahrnehmen? Inwieweit erlauben sie, die Einheitlichkeit oder aber Vielfältigkeit einer Berufsgruppe, also die Variationen von Praktiken in einer Berufsgruppe zu erklären? Es soll gezeigt werden, dass die Forschungsarbeit mit diesen Werkzeugen es notwendig macht, die Vorderbühne der Berufsgruppen zu verlassen und die Arbeit selbst zu untersuchen. Die bourdieusche Soziologie stellt somit die „klassische“ Arbeitssoziologie und die Berufssoziologie vom Kopf auf die Füße.
2 – Danach wird Delphine Serre diskutieren, wie empirischen Forschungen zur Arbeit erlauben, einige bourdieusche Konzepte selbst zu hinterfragen. Dabei stehen die Fragen der beruflichen Umschulung und der Transformationen eines Habitus im Mittelpunkt.

Das Impulsreferat stützt sich auf empirische Forschungen von Delphine Serre (Feldforschungen über soziale Dienste und Richter sowie eine statistische Erhebung über die Wahrnehmung von Arbeit in Frankreich) und auf ein Handbuch für arbeitssoziologische Erhebungen, das sie zusammen mit Marie Cartier und Christelle Avril verfasst und das im September 2010 erscheinen wird.

LITERATUR:

Serre D., Les coulisses de l’Etat social. Enquête sur les signalements d’enfant en danger, Paris 2009, Kapitel 3, 4, 5 und 7

Baudelot C., Gollac M., Bessière C., Coutant I., Godechot O., Serre D., Viguier F.,Travailler pour être heureux ? Le bonheur et le travail en France, Paris 2003, Kapitel 5

 

Frédéric Lebaron

"Für eine Soziologie des ökonomischen Feldes: der Beitrag der geometrischen Datananalyse" ("Pour une sociologie du champ économique: L'apport de l'analyse géométrique des données")

17. Dezember 2009

Frédéric Lebaron ist Professor für Soziologie an der Universität der Pikardie Jules Verne und Leiter des Universitätszentrums für Forschungen zu öffentlichen Vorhaben und Politik – Epistemologie und Sozialwissenschaften.

ABSTRACT:
This communication will discuss the relevance of the notion of field when applied to the economic world, and introduce the issues related to this use: how to determine the structure of a field, how to assess the structural homologies between supply and demand?
The operational and empirical tool which will be stressed is Geometric Data Analysis, in line with Bourdieu's own scientific practice. The methodological problems related to the combination of field theory and GDA will be evoked and situated in a broader debate about how to grasp the social structures of the economy.
Das Impulsreferat wird auf Englisch gehalten. Die Diskussionen werden auf Englisch (bei Bedarf auch Deutsch und Französisch) geführt. Eine simultane Übersetzung wird bereitgestellt.

 

Gérard Mauger

Generationen und Generationsbeziehungen. (Générations et rapports de générations)

19. November 2009

ABSTRACT:
Der Begriff Generation wird in Alltagssprachen, im medien-politischen Vokabular und in den gelehrten Diskussionen unterschiedlicher akademischer Disziplinen verwendet. Er findet sich im konzeptuellen „Werkzeugkasten“ von Psychologie und Psychoanalyse („ödipaler Konflikt“), von Anthropologie („Verwandtschaftssysteme“), Geschichte, Soziologie und Politologie. In den drei letztgenannten Disziplinen haben empirische Verwendungen des Begriffs frühere theoretische Überlegungen (etwa in den Diskussionen zwischen Lucien Febvre und Marc Bloch oder in Karl Mannheims Problem der Generationen) abgelöst.
Der Begriff Generation zirkuliert also zwischen unterschiedlichen Sprachen und Disziplinen: daher seine vielfältigen Konnotationen, daher auch die Mehrdeutigkeit, ja sogar Unklarheit seiner Verwendungen. So scheint es ein notwendiges Unterfangen, die unterschiedlichen Gebrauchsweisen explizit auseinander zu halten und die Tauglichkeit des Begriffs Generation für sozial- und kulturwissenschaftliche Verwendungen zu klären.
Der Impulsvortrag von Gérard Mauger stellt solch einen Klärungsversuch zur Diskussion.
Gérard Mauger ist Soziologe in Paris. Er arbeitet als Forschungsdirektor am CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique) und als stellvertretender Direktor am Centre de Sociologie Européenne (CSE/EHESS).

Production of Work
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Historisch-Kulturwissen-
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