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Abstract: Die Erzeugung von Arbeit. Wohlfahrt, Arbeitsmarkt und die umstrittenen Grenzen von Lohnarbeit (1880-1938)

Moderne staatliche Sozialpolitik etablierte seit dem späten 19. Jh. Versicherungsschutz in bestimmten formalisierten Fällen von Nicht-Arbeit: im Alter, bei Krankheit, Invalidität und Arbeitslosigkeit. Damit gewann auch die Kontrolle von Anspruchsberechtigungen, von nationalstaatlicher Zugehörigkeit, Arbeitswilligkeit oder Arbeits(un)fähigkeit an Bedeutung. Die neuen Regulierungen von Arbeit und Nicht-Arbeit manifestierten neue Vorstellungen von Arbeit und Beruf. Mit Bezug auf die veränderte gesellschaftliche Bedeutung von Arbeit und auf neue soziale Rechte erlebten zugleich die Debatten über Landstreicherei, Bettelei und Arbeitsscheu einen neuen Aufschwung. Wem sollte geholfen werden? Wer schädigte hingegen durch Verweigerung von Arbeit das Gemeinwohl? Nicht jede Art, ein Einkommen zu finden, wurde gleichermaßen als Arbeit anerkannt. Viele Aktivitäten changierten zwischen Arbeit, Arbeitssuche, Nicht-Arbeit, Bettelei und Vagabundage. Sie wurden verdächtigt, Deckmantel für Arbeitsscheu oder „negative Arbeit“ zu sein und gehörten damit zum umstrittenen Grenzbereich zwischen Wohlfahrt, Arbeitsmarkt und Kriminalität. Formen ungelernter und temporärer Lohnarbeit wurden in diesem Kontext (weiter) marginalisiert.

Die Erosion von Normalarbeitsverhältnissen und die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse sind Gegenstand gegenwärtiger politischer und sozialer Debatten. Das Projekt wird historisch untersuchen, wie und gegen welche anderen Formen die letztlich dominanten Konzepte von Lohnarbeit und Beruf etabliert wurden. Es untersucht die umstrittenen Grenzen von Arbeit. Die Untersuchung konzentriert sich auf Österreich 1918-1938. Darüber hinaus wird jedoch ein internationaler Vergleich angestrebt und werden wesentliche Entwicklungstendenzen seit dem späten 19. Jahrhundert berücksichtigt. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht damit der Zusammenhang prekärer Formen von Lohnarbeit und Nicht-Arbeit mit der Organisation von Arbeitsmarkt, Arbeitsvermittlung und Arbeitssuche. Die Analyse beginnt mit Grenzfällen von Arbeit, untersucht diese jedoch nicht isoliert. Wie variierten die Konzepte von Arbeit und ihre Verbindlichkeit nach Alter, Geschlecht und Ethnizität? Auf welche Weisen wurde definiert, welche Praktiken Arbeit und welche Nicht-Arbeit waren? Wie wurden diese Unterschiede und Hierarchien praktisch durchgesetzt? Wie wurde die Verpflichtung zur Arbeit gehandhabt und durchgesetzt? Besonderes Interesse gilt dem Wandern von Arbeitslosen sowie die damit verbundenen Formen von Integration, Unterstützung und Kontrolle.

Bislang wurden die Veränderungen von Arbeit und die Entstehung staatlicher Wohlfahrtspolitik meist aus der Perspektive von Staat und Politik beschrieben. Das Projekt nimmt eine andere Perspektive ein: Es betrachtet dominierte, „marginale“ Perspektiven und Praktiken als weitgehend vernachlässigtes, aber konstitutives Moment dieser historischen Veränderung.  Sie müssen daher wesentlich in die Analyse mit eingeschlossen werden. Wie haben jene, die arbeiten oder nicht arbeiten zu den neuen Konzepten von Arbeit in Konsensus und Konflikt beigetragen? Das Projekt wird somit die praktische Wirksamkeit von Sozial- und Arbeitsmarktpolitik untersuchen und ein besseres Verständnis von Kontrollen der Binnenmigration erlauben. Damit wird das Projekt in vielerlei Hinsicht wissenschaftliches Neuland erschließen und neue Perspektiven auf die Geschichte der Arbeit und des Sozialstaates eröffnen.

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